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Projektbericht und Stellungnahme zur Veranstaltung „Europäische Asylpolitik – Flucht vor der Humanität“ am 28.09.2018 im Alhambra

Die Veranstaltung „Europäische Asylpolitik- Flucht vor der Humanität“ sollte im Vorfeld der Demonstrationsveranstaltung „We ́ll come united“ noch einmal parteiisch die Grundlinien der aktuellen Europäischen Flüchtlingspolitik aufzeigen. Der Referent Stefan Keßler ist unter anderem im Jesuiten-Flüchtlingsdienst als Referent für Politik und Recht, Sozial- und Verfahrensberatung in Berlin und in Brüssel sowie im Beirat von Frontex als NGO-Vertreter tätig und somit ausgewiesener Kenner der europäischen aber auch deutschen Flüchtlingspolitik. Ziel der Veranstaltung war, ein Schlaglicht auf die aktuellen europäischen wie deutschen migrationspolitischen Diskussionen und Vorhaben zu werfen, um problematische migrationspolitische Entwicklungen besser einordnen und ihnengemeinsam entgegentretenn zu können. Gewünscht war auch eine Initialzündung zur erneuten Zusammenarbeit in Bezug auf die Erstaufnahmeeinrichtung in Blankenburg. An der Veranstaltung nahmen etwa 20 Personen teil. Gebeten wurde um Spenden für das Solidaritätskonto für geflüchtete Menschen in Oldenburg. Spenden im Umfang von 50€ konnten eingenommen und auf das Solidaritätskonto eingezahlt werden. Nach dem Vortrag entwickelte sich eine lebhafte Diskussion über die aktuelle und geplante deutsche und europäische Migrationspolitik. Ziel der Veranstaltung war zudem, dass auch geflüchtete Menschen zu Wort kommen. Hier kam es zu dem Vorfall mit der Band „Seitun“. Eingeladen wurde die Band, da sie nach Selbstauskünften Musik gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit spielen und mindestens eines der Mitglieder der Band über das Mittelmeer geflohen ist und seine Fluchterlebnisse auch in einem ihrer Lieder verarbeitet wurden, welches im Rahmen der Veranstaltung gespielt werden sollte. Die Band ist u.a. bei der Eröffnung des Treffs für geflüchtete Menschen des DRK sowie in einem Stück der Global Music Player aufgetreten.Der Kontakt wurde über IBIS e.V. hergestellt. Im Vorfeld wurde die Haltung der Band zur antisemitischen Initiativen wie der BDS-Kampagne und ihrer antisemistischen Propaganda besprochen, da eine antisemitismuskritische und sich von antisemitischen Umtrieben distanzierende Haltung für die Organisator_innen eine Grundvoraussetzung für eine Zusammenarbeit darstellt, ob nun in der Form politischen Engagements oder auch musikalischer Auseinandersetzung. Im persönlichen Gespräch mit einem Mitglied der Band wurde signalisiert und versichert, dass die Band die antisemitischen Zielsetzungenen der BDS-Kampagne ablehnt und sich von Antisemitismus distanziert. Kurz vor der Veranstaltung wurden die Veranstalter_innen jedoch von einigen Antifaschist_innen, die vor Beginder Veranstaltungng zum Alhambra kamen und die um Information und ein Gespräch bemüht waren, adie Aktivitätenten der Band hingewiesen. So stellte sich im Gespräch und in Recherchen nder Veranstaltungtung, die vorher hätten angestellt werden sollen, heraus, dass die Band an einer Veranstaltung der sogenannten „Gaza Freedom Flotilla“ im Mai diesen Jahres in Wilhelmshaven teilgenommen hat. Bei dieser Veranstaltung konnten bekannte BDS-Kader, wie zum Beispiel Christoph Glanz alias Christopher Ben Kushka, ihre antisemitische Propaganda verbreiten. Die Band „Seitun“ spielte auf der Veranstaltung und posierte vor der Kamera auch mit einem „Free Ahed Tamimi“-Banner. Ahed Tamimi, die wegen eines tätlichen Angriffes gegen israelische Soldat_innen acht Monate in einem israelischen Gefängnis saß, tätigte Aussagen wie: „‘Ich rufe zu Volkswiderstand in jeder Form auf. Menschen sollten wählen können, wie sie Widerstand gegen Israels Besatzung leisten. Manche mit Poesie, andere ohrfeigen Soldaten oder werfen Steine, ich respektiere jede Form des Widerstands.‘ Jede Reaktion auf die Besatzung sei gerechtfertigt, argumentiert Tamimi in einem anderen Video, egal ob mit ‘Messerattacken, Selbstmordanschlägen oder das Werfen von Steinen‘“. Jeder müsse ‚etwas tun, damit wir unsere Botschaft übermitteln und Palästina befreien können.‘“ https://www.welt.de/politik/ausland/article181718252/Israel-Konflikt-Die-Selbstdemontage-einer-palaestinensischen-Ikone-Ahmed-Tamimi.html; oder „Es ist nicht nur unser Ziel, die Siedlung in Nabi Saleh zu entfernen, unser Ziel ist es, die Besatzung, alles davon, die große Siedlung, Israel, zu entfernen“ (http://www.israelheute.com/Default.aspx?tabid=179&nid=34227). In der Schweiz gab es zudem einen Auftritt der Band im Rahmen der Veranstaltung „Palästina – Wir haben kein anderes Land“(Kosmo Politics), zu der unter anderem eine BDS-Propagandistin eingeladen war. Derartige Veranstaltungen, die dort propagierten Inhalte und eine Teilnahme oder Unterstützung dieser lehnen die Organisatorr_innen ob des dort vertretenen und grassierenden Antisemitismus entschieden ab. Nach einer teils heftigen und emotionalen Diskussion im Vorfeld zwischen Veranstalter_innen, Band, Freund_innen der Band und den Antifaschist_innen, welche die Organisator_innen informiert hatten, wollte die Band nicht mehr spielen. Die Band entschied sich also selbst, nicht aufzutreten und nahm den Organisator_innen somit die Entscheidung ab, sie nicht auftreten zu lassen. Hätten die Veranstalter_innen besser recherchiert und die Informationen über die Band im Vorhinein gehabt, wäre die Band nicht eingeladen worden. Die Organisator_innen sehen durchaus noch erheblichen Klärungsbedarf und unterbreiteten deshalb nach dem Gespräch mit den Bandmitgliedern diesen ein weiterführendes Gesprächsangebot, in dem eine genauere Erläuterung der Kritik an ihren politischen Positionen und Praktiken, die leider im kurzfristigen Gespräch nicht in angemessener Weise vermittelt werden konnten, aber auch eine Diskussion stattfinden könnte, in der problematische Positionen kritisch diskutiert und womöglich auch verändert werden können. Die Veranstalter_innen sehen eine positionierte und entschlossene Kritik an Antisemitismus jeglicher Couleur als unabdingbare Notwendigkeit einer emanzipatorischen politischen Praxis an. Zugleich sehen die Organisator_innen es auch als Notwendigkeit politischen Tuns an, das Veränderungspotenzial in Menschen zu sehen, die unterschiedliche Erfahrungen der (politischen) Sozialisation und mit Leid machen oder gemacht haben – so wie zum Beispiel die zwei palästinensischen Mitglieder der Band –, also diese Erfahrungen bei einer Kritik und in einer Diskussion wahrzunehmen und auch zu reflektieren. Dies bedeutet jedoch weder, ihnen ihre politische Mündigkeit und damit auch ihre Verantwortung für ihre Positionen und Taten abzusprechen, diese zu relativieren, nicht entschieden zu kritisieren, die Augen verschließend gemeinsame politische Sache zu machen noch diesen einen öffentlichen Raum für Vertretung und Verbreitung zu bieten. Damit gemeint ist vielmehr, Möglichkeiten zu suchen, um mit veränderungs- und reflexionswilligen Menschen konfliktoffen zu streiten und zu diskutieren, und dies vor allem dann, wenn der Grund für problematische Positionen unterschiedliche Wissensbestände, Unkenntnisse und bestimmte (Sozialisations-)Erfahrungen und nicht ein geschlossenes ideologisches Weltbild und verfestige ideologischen Überzeugungen sind, was aber natürlich gleichzeitig auch nicht bedeutet, sich der Naivität hinzugeben, dass mit Nazis, überzeugten und glühenden Antisemiten und anderen, meinungsunbeweglichen und gefährlichen Menschen oder Gruppen jeglicher Art diskutiert werden könnte noch sollte, oder dadurch die Offenheit für eine ideologische Querfront in einer kollektiven Imagination einer geeinten Linken zu signalisieren, diese zu dulden oder sogar zu unterstützen. Dass eine derartige Diskussions- und Streitkultur oft sehr zumutend, anstrengend, problematisch und widersprüchlich ist und oft auch scheitert, sollte nicht Anlass dazugeben, sie aufzugeben oder Diskussionsbereitschaft vorschnell aufzukündigen.


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