Die Legislaturperiode neigt sich dem Ende zu. Wenn ihr diesen Artikel lest, dann wurde das Studierendenparlament neu gewählt und die Koalitionsverhandlungen werden nicht lange auf sich warten lassen. Es ist also Zeit für einen Rückblick – einiges klappte, anderes nicht. Eine Sache, welche uns aber bestürzt, ist die Entgleisung der Diskussionskultur. Oder um es noch viel klarer zu formulieren: Ihre vollständige Abwesenheit und ihre teilweise Ersetzung durch Druck und Drohung.
Recht häufig wurde über uns und ziemlich selten mit uns geredet. Stattdessen herrscht eine Buzzword-Mentalität. Für die einen sind wir der „antideutsche“ AStA, anderen sind wir zu „links“ wieder anderen faktisch zu „rechts“. Der beste Vorwurf ist der des zu „politischen“. Dann werden schon mal anonyme Mails verfasst oder uns in autoritärer Manier Pamphlete an unsere Pinnwand geklebt. Einladungen zur Diskussion folgen dann nur die allerwenigsten. Dieses Phänomen der Unfähigkeit des Widerstreits zieht sich derweil durch unsere gesamte Gesellschaft. Deswegen: Kommuniziert! Tauscht Euch aus! Organisiert! Eine Position ist immer nur so gut wie die Argumente, welche sie stützen. Ideologische Setzungen greifen immer zu kurz. Mit dem Verweis auf die Organisation ist übrigens nicht gemeint, dass Ihr organisiert Plakate von (AStA-)Veranstaltungen abreißen sollt, weil sie Euch nicht passen, anstatt sie zu besuchen und kritische Rückfragen zu stellen – die eigene Position könnte ja widerlegt werden. Oder noch schlimmer: Die im Vortrag vorgebrachte lässt sich vielleicht gar nicht in das vorgefertigte Schema von „gut!“ und „schlecht!“ einpflegen. Und ganz grundsätzlich: Gesellschaftlicher Wandel lässt nicht durch Sprechverbote, sondern vor allem durch Widerlegung und Widerspruch bekämpfen. Diese Praktiken kann man bei Personen aller politischen Richtungen feststellen, deswegen sind sie auch nicht einfach ein unglücklicher Einzelfall.
Doch den Preis für das beste Beispiel eines verrohenden Umgangs müssen wir wie immer unseren strammen deutschtümelnden Freund_innen des rechten Lagers überreichen. Ein wunderschönes Machwerk, welches auf unserer Pinnwand hinterlassen wurde, ist unten zu sehen. Neben dem (auch noch falsch gezeichneten) Hakenkreuz wurde in den Flyer einer Veranstaltung des Schwulenreferats „Fuck masturbate“ geritzt. Was der_die Lustfeind_in damit meinte, werden wir wohl nie erfahren, denn diese Menschen stellen sich nur ungern tatsächlichen Diskussionen.
Trauriger Höhepunkt bildeten die Gegenaktivitäten zu den von uns (mit-)organisierten Demos (die eine war bekanntlich gegen einen um sich greifenden Rassismus, die andere gegen den AfD-Landesparteitag). Wir wurden fotografiert und man folgte uns in die Mensa, um unsere Gespräche zu belauschen. Schließlich warf man einem AStA-Mitglied eine Nachricht in den Briefkasten. Was darauf stand? “Pass gut auf Dich und Dein Kind auf!“ Diese Einschüchterungsversuche beantworten wir mit Solidarität und einem nur noch gesteigerten Engagement. Und dennoch wäre es gelogen, wenn man behauptet, dass es nichts mit einem macht.
Ich möchte mit zwei Appellen schließen:
- Die Universität ist ein Ort der kritischen Auseinandersetzung. Das sollten wir nutzen, denn die Welt hat keine Nachsicht mit denen, die sich nicht gegen das Unrecht behaupten können. Der Kampf um Räume lässt sich nicht mit dem Rückzug in Echokammern und Filterblasen führen.
- Die Universität ist ein Ort auch der politischen Bildung. Überlegt Euch gut, wem mit Aussagen wie „Der AStA soll sich nicht politisch betätigen!“ geholfen ist: Zum einen denen, die anscheinend allzu gern Kinder bedrohen und zum anderen denjenigen, die darauf setzen, dass sich keine kritischen Ideen entwickeln.
Insgesamt sollten wir uns fragen, in was für einer Welt wir leben wollen. Ob Aktivismus oder Debatte – die Vorstellungen über die Welt und ihre Verbesserung sind immer Gegenstand der Reflexion. Und ganz wichtig: Man darf sich dabei auch mal uneins sein.
von Maximilian Schulz, AStA-Sprecher_innen-Team