Karikaturen und Antisemitismus

Weltweit äußern sich verschiedene Formen von Antisemitismus auch auf Universitätscampus. Anschauliche Beispiele aus den USA dafür sind in dem Film ‚Hate Spaces‘ zu sehen. Um dies zu erkennen und zu unterbinden, ist es zentral, über entsprechende Äußerungsformen aufzuklären. – Moderner Judenhass hat vielfältige Gestalten. Eine besonders verbreitete Form ist heute der israelbezogene Antisemitismus. Wird der Nahostkonflikt thematisiert, ist deshalb stets auf Kriterien zu reflektieren, die es ermöglichen, zwischen legitimer Kritik an israelischer Politik und antisemitischer Beurteilung des jüdischen Staates zu unterscheiden.

Vor diesem Hintergrund sollen im vorliegenden Artikel zwei Karikaturen betrachtet werden, die vom 29. Oktober bis zum 22. November 2018 im Hörsaalzentrum der Universität Oldenburg ausgestellt waren. Neben weiteren Objekten sind sie aus dem Praxisseminar „Zeitgeschehen kommentieren“ hervorgegangen, der im Fachbereich „Kunst und visuelle Kultur“ im Sommersemester 2018 stattgefunden hatte.

Die erste Karikatur, die betrachtet wird, nimmt Bezug auf die Ausschreitungen vom 14. Mai 2018, die sich vor dem Hintergrund der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem ereigneten. Im Text ist von „demonstrierende[n] Palästinenser[n]“ die Rede, „die sich dem Gaza-Grenzzaun genähert hatten“ und daraufhin von der israelischen Armee erschossen worden seien. Zusätzlich wird beklagt, dass die deutsche Presse „extrem zurückhaltend“ über das Vorgehen der israelischen Armee berichtet habe. – Israel hatte im Vorfeld der Ausschreitungen den wichtigsten Grenzübergang von Gaza geschlossen, um Attentätern den Weg ins Land zu versperren. In der Karikatur wird nun die Vorstellung erweckt, die israelische Armee verteidige die Grenzsicherungsanalagen ohne nachvollziehbaren Grund. So zeigt die zugehörige Zeichnung eine unbewaffnete Person in einem Käfig, die von einem israelischen Soldaten mit den Worten erschossen wird: „Er hat den Zaun berührt und außerdem war er vielleicht bei der Hamas.“

Keine Erwähnung findet in der Karikatur der antisemitische Terror, von dem in einer adäquaten Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt jedoch niemals abstrahiert werden kann. Bis heute ist der Antisemitismus – sowohl der arabische und islamische als auch der europäische – grausame Rahmenbedingung aller politischen und militärischen Entscheidungen, die im jüdischen Staat getroffen werden müssen. Unverhohlen drückte er sich auch in den Ausschreitungen Mitte Mai 2018 aus; so beispielsweise in den mit Hakenkreuzen bemalten Feuerdrachen, die in diesem Kontext und bereits seit März 2018 von palästinensischer Seite aus auf Israel losgelassen wurden. Seither verbrannten auf diese Weise in Israel mehrere tausend Hektar Land, was in der deutschen Presse kaum Erwähnung fand. Befragt zu der Botschaft, die damit übermittelt werden solle, antwortete ein 19-Jähriger Palästinenser, der einen solchen Drachen mit Hakenkreuz in der Hand hielt: „Hitler wird die Juden ausrasten lassen, wenn sie das sehen. […] Das ist genau das, was sie [die Israelis] wissen sollen, dass wir sie verbrennen werden.“ (https://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/feuerdrachen-europa-ignoriert-den-terror-gegen-israel) Der Hintergrund der Proteste wird auch daran deutlich, dass das Datum der Botschaftseröffnung, nämlich der 70. Jahrestag des Staates Israel, von vielen Ausschreitenden als Provokation empfunden wurde (https://www.welt.de/politik/ausland/article176325297/Gazastreifen-Ich-rechne-am-Montag-mit-einem-Massaker.html).

Die Gründung des jüdischen Staates war eine Antwort auf die jahrhundertelange Verfolgung von Jüdinnen und Juden, insbesondere auf den Vernichtungsantisemitismus der Nationalsozialisten. Der Staat Israel weist bis heute die Besonderheit auf, Jüdinnen und Juden inmitten einer Welt von mehrheitlich antisemitischen oder den Antisemitismus nicht bekämpfenden Gesellschaften Zuflucht zu bieten. Eine Delegitimation Israels bedeutet also eine Delegitimation dieser Zufluchtsstätte, deren Notwendigkeit spätestens seit der Shoah besteht. So ist der Antizionismus nach 1948 in seiner Konsequenz stets antisemitisch – ob dies den Vertreterinnen und Vertretern bewusst ist oder nicht.

Heute sieht sich der jüdische Staat vor allem einer Bedrohung durch das iranische Regime ausgesetzt, das offen zur Vernichtung Israels aufruft (Anfang Juni 2018 war beispielsweise auf Chameneis Twitter-Konto zu lesen, Israel sei „ein bösartiges Krebsgeschwür in der westasiatischen Region, das entfernt und ausgemerzt werden muss: Es ist möglich und wird geschehen.“) und dem der Weg zur Atombombe auch durch den Atomdeal nicht verbaut wurde. Auf dieses Abkommen von 2015 bezieht sich die zweite Karikatur, die im vorliegenden Artikel besprochen werden soll. Sie stellt Donald Trump dar, der soeben mit einem Baseballschläger einen Ölzweig zerschlagen hat, während hinter ihm in einem Krankenbett eine weiße Taube am offenen Leibe von drei Personen operiert wird. Anhand von Armbinden und in Kombination mit der Bildunterschrift sind diese als chinesischer, russischer und EU-Staatsangehöriger zu erkennen. Die Bildunterschrift lautet: „8.5.2018: Donald Trump verkündet die einseitige Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran, welches 2015 nach 13 Jahren Verhandlung zu Stande gekommen war. Die EU, China und Russland wollen am Abkommen festhalten, um eine nukleare Aufrüstung des Irans zu verhindern.“

Die Karikatur stellt Trump als Friedensgefährder dar – die Befürworter des Atomdeals hingegen als bemühte Friedensretter. Trump hatte den Deal unter anderem mit dem Verweis darauf aufgekündigt, dass das Abkommen „defective at its core“ sei. Was damit gemeint sein könnte, wird deutlich, wenn der Politikwissenschaftler Stephan Grigat betont: „[I]n Wirklichkeit hat dieses Atomabkommen das iranische Nuklearprogramm quasi legalisiert […].“ Durch welche Konstruktionsfehler dieser Zusammenhang im Wesentlichen möglich ist, erklärt Matthias Küntzel: 1. „Nach zehn bis fünfzehn Jahren fallen sämtliche Begrenzungen weg, dann darf der Iran […] Bombenrohstoffe in beliebiger Menge herstellen.“ (Küntzel, “Schutzschild für Ajatollahs?”) 2. „Während das Abkommen für die bekannten Atomstätten Irans verschärfte Prüfungen anordnet, schließt es unangekündigte Inspektionen an neuen Standorten, die in Verdacht geraten könnten, de facto aus.“ (Ebd.) 3. Das Abkommen lässt „die geographische Verlagerung des iranischen Atomwaffenprogramms nach Nordkorea zu“ und es sei „durchaus wahrscheinlich, dass Nordkorea den Atomwaffenexperten Irans als Ausweichstandort dient.“ (Ebd.) .

Mit dem Ausstieg der Amerikaner aus dem Deal ist das Problem nicht gelöst, dass mit dem Iran ein Regime besteht, welches gegen Oppositionelle mit brutalster Gewalt vorgeht, die iranische Bevölkerung unterdrückt und Tausende ermorden lässt, eine aggressive Außenpolitik im Nahen Osten betreibt, Vernichtungsdrohungen gegen Israel ausspricht, den Holocaust leugnet und „nach Technologien für Massenvernichtung strebt“ (Deutschlandfunk Kultur). Der Deal in seiner gegenwärtigen Form aber hat, wie zuvor ausgeführt, das iranische Nuklearprogramm „institutionalisiert“. In der Karikatur wird auf diesen Umstand und den darauf basierenden Handlungsspielraum sowie das tatsächliche Vorgehen des Mullah-Regimes nicht reflektiert. Unerwähnt bleiben dabei erneut auch die gefährdete Lage des jüdischen Staates und die besondere Bedeutung desselben.

Die kurze Diskussion beider Karikaturen soll insbesondere deutlich machen, dass in der Auseinandersetzung mit Darstellungen des Nahostkonfliktes zu jeder Zeit auf den Antisemitismus zu reflektieren ist, der diesem Konflikt wesentlich zugrundeliegt. Es gilt, sich dessen bewusst zu werden, um die Vorgehensweisen beider Seiten innerhalb ihrer Voraussetzungen beurteilen zu können. Ein Ausbleiben dieser Reflexion bedeutet jederzeit das Fehlen einer wesentlichen Analysegrundlage des Konfliktes und möglicherweise eine darauf sich gründende Delegitimation des jüdischen Staates.

von Caroline Kather 

1 Online: https://www.deutschlandfunkkultur.de/kritik-an-aktueller-iran-debatte-das-abkommen-hat-das.1008.de.html?dram:article_id=417982 [Stand: 05.01.2019]

2 Vgl. ebd.

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