Adrian Oeser Interview

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Rechtsrock und der unsichtbare Widerstand – Interview mit dem Dokumentarfilmer Adrian Oeser


Rechtsrock ist seit langem eines der wesentlichen Instrumente zur Verbreitung neonazistischen Gedankenguts und zur  Ideologisierung junger Neonazis. Gegen rechte Konzerte und Festivals formiert sich aber besonders in Themar, ein häufig übersehener, Widerstand. Über seinen Film „Neonazis und Superhelden“ und Herausforderungen in der filmischen Aufklärung  sprachen wir mit dem Regisseur Adrian Oeser.

Du machst Dokumentarfilme. Wie bist Du eigentlich dazu gekommen?

Angefangen Filme zu machen habe ich im Jahr 2005, in einer Film-AG der Schule. Als ich zu dieser kam wurde ein Film über den Ausbau der Startbahn West am Frankfurter Flughafen und die Proteste dagegen gemacht, daran habe ich mitgearbeitet. Außerdem war ich im Darmstädter Stadtschüler_innenrat tätig. Zum ‚Rock gegen Rechts‘ 2006 haben wir Trude Simonsohn, eine Holocaustüberlebende und Irmgard Heydorn, eine sozialistische Widerstandskämpferin als Zeitzeuginnen eingeladen, die sich in den 50er Jahren angefreundet haben. Ich dachte mir damals, das ist so interessant, die Freundschaft zwischen einer Verfolgten und einer Widerstandkämpferin, das muss man eigentlich für kommende Generationen sichern. Bei diesem Zeitzeuginnengespräch habe ich eine Kamera aufgestellt. Das waren meine ersten eigenen Aufnahmen und daraus ist nach weiteren Interviews auch mein erster Film geworden.

2018 hast Du den Film ‚Von Neonazis und Superhelden‘ gedreht. Wie ist das passiert?

Das war etwas Zufall. Ich habe nach einem Thema für meinen Diplomfilm gesucht und bin dann durch Zeitungsberichte auf Themar aufmerksam geworden. Es sollte dort wieder ein großes Neonazikonzert geben, nachdem 2017 das größte Neonazikonzert des Nachkriegsdeutschlands dort stattgefunden hatte. Mich interessierte, was diese Konzerte mit Themar gemacht haben. Ein Dreitausend-Seelenort, in dem auf einmal doppelt  so viele Neonazis auftauchen, als dort Menschen leben. Gibt es da auch Protest? Thomas Jakob von der Initiative ‚Themar gegen Rechts‘ war bereit, mit mir zu reden. Ich hatte sofort den Eindruck: Das ist ein total gutes Filmthema. Zum einen, weil Themar nicht die Bilder bediente, die ich von einer ostdeutschen Kleinstadt im Kopf hatte und zum anderen, weil ich fand, dass Themar eine sehr kreative und wirksame Form des Protests gefunden hat.

Du hast nicht nur mit den Menschen aus dem Bündnis gesprochen. Wie kommt man mit Neonazis, wie Tommy Frenck, ins Gespräch?

Mein Konzept für den Film war: Ich fahre drei Wochen nach Themar und mache Recherche und Dreh gleichzeitig. Das habe ich dann im Januar 2018 gemacht. Ich hatte also im Vorhinein keinen Kontakt, sondern es war tatsächlich so, dass ich Tommy Frenck einfach angerufen und ihm mein Projekt geschildert habe. Er war sofort bereit mit uns zu drehen. Mir wurde allerdings relativ schnell klar, dass er ein Interesse daran hat, von mir interviewt zu werden: Öffentlichkeit.

Wie ist es denn mit einem Neonazi, von dem man im besten Fall, nicht sonderlich viel hält, zu sprechen?

Als Filmemacher bin ich da als Beobachter, nicht als Aktivist. Ich will verstehen, warum dieser Neonazi Tommy Frenck sich in dem Ort etablieren konnte, warum Themar für ihn attraktiv ist, welche Rolle er bei den Rechtsrockkonzerten spielt. Was drücken die Neonazis nur implizit aus, ohne es auszusprechen? Mir war dabei ganz wichtig, zu reflektieren, wie ich die Neonazis im Film darstelle. Ich wollte ihnen keine Plattform bieten, sich beispielsweise als die Biedermänner darzustellen, die eigentlich ganz harmlos sind.

Es gibt ja auch YouTube Channels (Y-Kollektiv, Strg F), die Dokus über Themar gemacht haben. In welchem Verhältnis siehst Du deinen Dokumentarfilm zu diesen ‚Populärdokus‘?

ch glaube, dass wir politisch am gleichen Strang ziehen, weil ich glaube sowohl Y-Kollektiv oder Strg F als auch ich wollen aufklären. Wir klären aber über unterschiedliche Aspekte auf. Was mein Film und die anderen Arbeiten unterscheidet, ist die Herangehensweise. Fernsehjournalistische Arbeiten funktionieren viel schneller, viel direkter und viel eindeutiger. Beim Dokumentarfilm hat man den Luxus, stärker Raum für Ambivalenzen zu schaffen und Menschen länger zuzuhören. Ich habe immer die Hoffnung, dass so ein Eindruck entsteht, der über das, was die Einzelnen sagen, hinaus geht: Ein Gesamteindruck von einer Situation, ein Gesamteindruck von einem Ort. Ich glaube, da ist Dokumentarfilm das richtige Mittel.

Jetzt hast Du den Aspekt Aufklärung gerade schon angesprochen. Theodor W. Adorno fordert in seinem Aufsatz ‚Fernsehen und Bildung‘, dass Fernsehen seine aufklärerische Wirkung entfalten muss, um die Verbreitung von Ideologie durch es zu verhindern. Inwiefern kann Dokumentarfilme diese aufklärerische Arbeit leisten?

Meine Hoffnung ist, dass man mit Film erstmal Dinge sichtbar machen kann, die sonst unsichtbar sind. Das trifft bei meinem Film über Themar auf den Protest zu, weil das Bilder sind, die man sonst ganz selten sieht. Weiter glaube ich, dass man, wenn man zwei Perspektiven von Menschen zusammen erzählt, etwas entstehen lassen kann. Ich nenne mal ein konkretes Beispiel: In dem Film über die beiden Zeitzeuginnen ist mir das ganz besonders bewusst geworden. Durch das gemeinsame Erzählen dieser Lebensgeschichten konnte ich den Mythos beziehungsweise die nationale Erzählung von dem ‚Ich habe ja nichts gewusst‘, einerseits darstellen, nämlich über die Erfahrungen die Trude Simonsohn gemacht hat und gleichzeitig auch entkräften, dadurch das Irmgard Heidorn sagen konnte: ‚Ich hab’s gewusst und man konnte wissen‘. Und dann ist es selbstverständlich möglich, mit filmischen Mitteln Gefühle zu wecken. Und das ist eine ambivalente Sache. Ich finde Filme, die bewegen sind erstmal gute Filme, weil man es schafft, Menschen zu berühren. Das kann natürlich auch in verschiedene Richtungen gehen, aber erstmal ist das eine Qualität von Film und kommt dann auch zu dem Punkt: Wie können Filme aufklären? Durch eine Kombination einer intellektuellen Ansprache und einer emotionalen. Also, dass man durch Film eine Situation intellektuell als auch emotional Erfassen kann und ihr dann näherkommen. Film schlägt genau dann ins Gegenteil von Aufklärung um, wenn die Emotion im Vordergrund steht, überwältigt, Überhand gewinnt, der Vermittlung einer Ideologie dient. Das sieht man z.B. an der Nazipropaganda, die ja auch viel mit Film gearbeitet hat.

Ich bedanke mich für Deine ausführlichen Antworten und freue mich auf die Vorführung deines Dokumentarfilms ‚Von Neonazis und Superhelde‘ an der Uni Oldenburg am 26.11., bei der Du ja auch anwesend sein wirst. Bis dahin!

Ich danke ebenfalls!

Adrian Oeser stellt am 26.11.2019 seinen Film im Unikum (Bühne 1) vor, wozu der AStA alle Interessierten herzlich einlädt.

von Max Linschmann 

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