(Un-)Möglichkeit eines feministischen Pornos?

04.-bellathorne@exerzierhalle

Das Regiedebüt von Bella Thorne beim Filmfest Oldenburg. 

Am 12. September hatte das Regiedebüt der amerikanischen Schauspielerin, Autorin und vor allem Influencerin Bella Thorne auf dem Oldenburger Filmfestival Weltpremiere. Ihr Film ‚Her & Him‘ wurde als ‚feministischer Porno‘ beworben. Was kann man sich darunter vorstellen?  

Ein feministischer Porno ist, im Gegensatz zu einem herkömmlichen, einer, der das Selbstverständnis hat, die Darstellung von (weiblicher) Sexualität mit einem emanzipatorischen Anspruch zu verbinden. Negativ gesprochen: die Darstellung von Sex soll nicht sexistisch sein. Positiv formuliert: es soll einen ‚empowerenden“ Charakter haben. Diesen Anspruch bezieht sich zum einen auf die Filmproduktion und zum anderen auf den Inhalt und die Form. 

Was die Produktion anbelangt, so müsste man die beiden Hauptdarsteller des Films, die Pornostars ‚Abella Danger‘ und ‚Small Hands‘, einmal fragen ob die Kriterien des feministischen Pornos – dass alle Akte auf Konsens beruhen, dass beim Dreh auch die eigenen Bedürfnisse der Darsteller_innen berücksichtigt werden, dass es keine finanzielle Ausbeutung gibt – auch erfüllt wurden.  Allerdings ist, selbst wenn das alles bei diesem Film eingehalten worden mag, die Produktionsfirma hinter dem Film mit PornHub ausgerechnet ein Unternehmen, dass bei den Uploads von privaten Pornos nicht überprüft, unter welchen Bedingungen sie zustande gekommen sind und so gerade das Gegenteil von ‚FairPorn‘ unterstützt. Man kann den Eindruck bekommen, die Popularität Thornes und der feministische Ansatz ihres Films solle das schlechte Image PornHubs diesbezüglich wettmachen. 

Was den Inhalt und die Darstellung anbelangt, so ist bei dem dreißigminütigen Film von Bella Thorne auffällig, dass die Protagonistin hier als der dominierende, primär agierende Part auftritt. Das entspricht dem zentralen Punkt des feministischen Pornos, dass Frauen nicht nur passives Objekt sein sollen. In der Story geht es  um ein Pärchen, das aufgrund einer Handynachricht in ein Spiel aus Misstrauen und Vertrauen gerät, aus Kontrolle und Gewalt, und natürlich, sonst wäre es ja kein Porno, um die Darstellung von Lust und Sex. Interessant ist hier, dass der Film sich einer eindeutigen Wertung entzieht, die Begierde und sexuelle Spannung entsteht auch aufgrund von Angst und Kontrollverlust. 

Es ist Teil einer kontroversen Debatte, inwieweit es überhaupt gelingen kann, Pornographie mit einer emanzipatorischen Anforderung zu verbinden. Aus einer traditionsfeministischen Perspektive ist Pornographie immer schon Ausdruck von Sexismus. Wenn man es schon so definiert, dass Pornographie  „the graphic sexually explicit subordination of women through pictures or words“ sei, wie die Feministinnen MacKinnon und Dworkin es gemacht haben, dann macht man es ganz einfach schon zu einer Definitionssache, dass es gar keine feministische Pornographie geben kann, denn die Beschreibung ‚feministisch’ in diese Definition eingesetzt würde ja heißen: eine feministische „subordination  of women,“ und das ist Unsinn. Weniger leicht ist die Kritik von Alice Schwarzer zu begegnen, dass Pornos deswegen sexistisch sind, weil sie ein falsches Verständnis von Sex, von der Perfektion von Körpern und Techniken etwa, vermittelt. Und Thornes Porno ist hier sehr klassisch: es gibt nur sehr attraktive junge Menschen, die es scheinbar jederzeit und in allen Positionen machen können. 

Dass der Film vielleicht nicht so emanzipatorisch und ästhetisch gewagt ist, wie es das Selbstverständnis zu sein scheint, für diesen Eindruck muss man sich nur den weiteren Verlauf des Premierenabends auf dem Oldenburger Filmfest ansehen. Im Anschluss an ‚Her&Him‘ lief ‚Querelle‘, der letzte Film von Rainer Werner Fassbinder. In diesem geht es um die homosexuellen Phantasien und Erinnerungen des Protagonisten. Der Film besteht zum großen Teil aus Traumsequenzen und einer herausfordernden Inszenierung, weil er nicht die gewohnten, auf Spannung beruhenden Erzählmuster bedient. Nach einer Viertelstunde des Hauptfilms hatten 70% (!) der Gäste den Saal verlassen. Sie waren offenbar aus dem Bedürfnis eines Starkults gekommen, nicht aus Interesse für gewagte erotische Filmästhetik. Für das Infragestellen filmischer Normen, die im Falle von Porno gleichzeitig Bilder von Sexualität sind, ist der 50 Jahre alte Film von Fassbender leider immer noch um einiges progressiver als das gefeierte Filmdebüt von Bella Thorne. 

von Lisa Jans | Titelfoto: Filmfest Oldenburg

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