Die Smolensk-Verschwörung: Ein Rückblick auf den Vormarsch der polnischen Rechten

Polen ist heutzutage ein Land, das sich sehr gut eignet, um Forschungsmaterial im Bereich ‚Verschwörungstheorien‘ zu sammeln. Der Reichtum an Verschwörungstheorien in einem Land, das seit 2015 souverän von der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość; kurz: PiS) regiert wird, erscheint als ein ungeheures Kuddelmuddel. Einige dieser Theorien führen ein Schattendasein, während es anderen sogar gelungen ist, staatlich beglaubigt zu werden. Während erstere tüchtig mithilfe der sozialen Medien verbreitet werden, können sich zweitere auf die Unterstützung der öffentlich-rechtlichen Medien, die inzwischen in ‚Nationale Medien‘ umbenannt wurden, verlassen und somit breitere Anerkennung genießen. Diesem Druck nachgebend, wurde die ‚gesunde Mitte‘ zum Großteil auf den Modus-‚Eigentlich nicht, aber…‘ umgeschaltet.

Der Boom des verschwörerischen Denkens fing jedoch nicht erst 2015 an, als die polnischen Rechtspopulisten an die Macht gewählt wurden: Die PiS-Partei konnte sich bereits vorher als ‚Meister der Spinnereien‘ erweisen. Viele sehen ihren Doppelwahlerfolg im Jahr 2015 (in der Präsidentschafts- sowie Parlamentswahl) sogar als direkte Folge eines Meisterstücks, das um den tragischen Flugzeugabsturz von Smolensk im Jahr 2010 gesponnen wurde.

Am 10. April 2010 flog ein Flugzeug mit der polnischen Delegation unter der Leitung des Staatspräsidenten Polens, Lech Kaczyński, nach Smolensk (Russland), um an der Gedenkzeremonie der Opfer von Katyn, d.h. die auf Stalins Befehl 1940 in den Massenerschießungen hingerichteten polnischen Kriegsgefangenen, teilzunehmen. Um 08:41 Uhr stürzte die Präsidentenmaschine ab, als sie zur Landung ansetzte. Alle, darunter das Präsidentenpaar, die hochrangigen Vertreter_innen des Staatsapparates und des öffentlichen Lebens, insgesamt 96 Personen, kamen dabei ums Leben.

Der Schock und die tiefe Trauer um die Toten der Katastrophe einigten im ersten Augenblick das polnische Volk. Diese Einheitsphase, während derer das nationale Kollektiv in der depressiven Stimmung die Schuld am Flugunfall noch an sich gesucht hatte, dauerte jedoch nicht lange an und kam abrupt zum Ende. Die Atmosphäre kippte: Man ist im direkten Anschluss zu einer Anschlagstheorie übergegangen. Eine gekürzte Liste der spekulierten Ursachen des angeblich geplanten Absturzes lautet: Laserstrahlen, elektromagnetischer Impuls, zwei oder sogar drei Explosionen unbekannten Ursprungs sowie – zurückgehend auf eine PiS-Parlamentariergruppe unter der Leitung des künftigen Verteidigungsministers Polens – einige Theorien mit ‚wissenschaftlichem Anspruch‘: eine oder mehrere Sprengladungen im Flugzeugrumpf, ein vom Boden gesteuertes Ausschalten aller Bordanlagen, eine Wolke aus Helium und nicht zuletzt künstlicher Nebel.

Abgesehen von der Frage ‚Wie?‘, hat man in den kommenden Jahren einen prägnanten Satz häufig zu hören bekommen: ‚Es war ein Attentat!‘ Dieses geflügelte Wort wird zum Glaubensbekenntnis der einzigen Religion, die ohne Widerspruch neben der katholischen Lehre gepredigt werden darf: Sie wird ‚Smolensker Religion‘ genannt. Die offizielle polnische Version des Absturzes war weniger phantastisch und besagte, dass ein unglückseliges Aufeinandertreffen von Umständen wie schlechter Wetterbedingungen, Fehler der Pilotencrew sowie der Fluglotsen zum Zusammenstoß des Flugzeuges mit einer Birke geführt habe, was die Maschine unmittelbar zum Absturz brachte. Der ‚gesunde Menschenverstand‘ lehnte jedoch die ganze Kausalkette mit dem Verweis auf die arme Birke sofort ab: Dass eine Birke ein massives Flugzeug zum Absturz bringen könnte, wurde als unvorstellbar abgelehnt, und damit diese Birke spöttisch ‚Panzer-Birke‘ getauft. Und so trat die Spaltungsphase ein: Plötzlich schien sich die Gesellschaft in zwei Lager zu teilen. Gegenüber den Gläubigern der ‚Smolensker Religion‘ standen nun die Phantasielosen. Als sich die Letzten die Augen angesichts des Ideenreichtums ihres Gegenübers rieben, wurden die Stimmen jener, die ihre Kraft aus der esoterischen Erkenntnis zogen, immer lauter: ‚Erwache! Polen, erwache!

Es ist aber nicht so, dass es eine Polarität der Polen nicht schon vorher gegeben habe. Die parlamentarische Demokratie mit ihrer Komplexität und ihrem Nuancenreichtum tut sich schwer, Wurzeln in den Köpfen zu schlagen, die lediglich eine ungehobelte Volksdemokratie kannten. Gemäß einem aus der Zeit des ‚real existierenden Sozialismus‘ entsprungenen Musters haben sich die Polinnen und Polen noch lange nach dem Sieg der Solidarność und dem Zerfall des Ostblocks primär in Kommunisten und Oppositionelle aufgeteilt. Dieses binäre Deutungsschema des Politischen wies eine imposante Resistenz gegenüber der empirischen Erfahrung auf; diesmal derreal existierenden Demokratie. Das heißt aber noch längst nicht, dass die Anziehungskraft dieses Schemas im Laufe der Geschichte der jungen polnischen Demokratie unberührt blieb. Das Smolensk-Unglück hat jedoch die Umstände in Polen herbeigeführt, die dem genuin polnischen Antikommunismus Vorschub geleistet und ihn wiederbelebt haben.

Eine lebhafte Phantasie, die die unzähligen düsteren Szenarien des angeblichen Attentats entwirft, wird von den bereits vorhandenen Ideologemen und geschichtlichen Parallelen gespeist, die wiederum einen ‚alternativen‘ Kontext des Geschehens von Smolensk schaffen. Einige Assoziationsketten wurden unmittelbar nach der Flugzeugskatastrophe in Gang gesetzt: 1943 stürzte der polnische Regierungschef im Exil, Władysław Sikorski, mit einem Flugzeug ins Mittelmeer. Sikorski setzte sich gegen Stalins Versuch ein, die Schuld am Massaker von Katyn von sich abzuwenden. Nun kam der Präsident des modernen Polens bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, der ebenfalls für das eindeutige Schuldbekenntnis der russischen Seite kämpfte. Dieses ‚geschichtliche Gleichnis‘ wies zunächst auf ein fatales Schicksal derjenigen hin, die sich für die Wahrheit von Katyn einsetzten. Die Frage nach dem Täter wurde bereits nahegelegt, aber noch nicht beantwortet. Und zwar haben einige prominente Vertreter des öffentlichen Lebens in Polen vom ‚Fluch von Katyn‘ gesprochen und dabei den Massenmord von Katyn mit der Smolensk-Katastrophe verglichen. Zwar beabsichtigten sie damit nicht, ein Attentat zu suggerieren, doch in der Tat machten sie genau das, indem sie einen intentionalen Akt (einen Massenmord) mit einem unbeabsichtigten Ereignis (eine Flugzeug-Katastrophe) in eine Gleichung zu setzen versuchten. Dass die Werte der Gleichung bereits auf den ersten Blick nicht stimmten ist nicht weniger problematisch – auf einer Seite die 22 000 Opfer der gesamten Mordreihe an der Vorkriegselite Polens, wofür ‚Katyn‘ symbolisch steht; auf der anderen Seite 96 prominente Staatsvertreter des Absturzes. Das Schlimmste daran ist jedoch, dass sie von den Verschwörungstheoretikern sofort als eine Gleichung mit einer Unbekannten erkannt wurde: Auf der einen Seite der Gleichung steht der sowjetische Geheimdienst (NKWD) als Täter, auf der anderen Seite die noch unbekannte Größe, die nun die gesamten Vorstellungskräfte der Verschwörungstheoretiker mobilisieren sollte.

Um die Frage nach einer angeblichen Täterschaft bzw. einem Strippenzieher zu erörtern, muss man zunächst einen Blick auf die polnische Politik werfen. In den rechten Diskursen symbolisiert der verstorbene Lech Kaczyński (PiS) ein ‚solidarisches Polen‘, wohingegen Donald Tusk von der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska, kurz: PO) für ein ‚liberales Polen‘ steht. Dieses Polen wird wiederum als Folge eines Hochverrats verstanden: Der Gründungsmoment des ‚liberalen Polens‘ sei ein fauler Kompromiss mit den Kommunisten am Runden Tisch 1989 gewesen. Donald Tusk, der in Wirklichkeit ein begeisterter Neoliberaler ist, wird dem in Polen gängigen binären Muster ‚Kommunisten vs. Antikommunisten‘ zufolge als vermeintlicher Nachfolger des verräterischen Kompromisses schlicht als Kommunist beschimpft. Lech Kaczyński dagegen fungierte in den rechten Diskursen als Erlöser Polens, der die ‚seltsame Revolution 1989‘ ablehnte; also die, die den Realsozialismus in Polen tatsächlich zu Ende brachte. Er hatte vor, diese am Verhandlungstisch und nicht auf der Straße durchgeführte Revolution nun richtig und kompromisslos zu vollbringen. All dies, inklusive der anstehenden Präsidentschaftswahl, in der Lech Kaczyński nochmals für ein ‚solidarisches Polen‘ kämpfen wollte, hat gemäß der Cui bono-Frage Donald Tusk und das PO-Lager unter Verdacht gestellt.

Die Frage nach dem Nutznießer des Flugzeugabsturzes konsequent entfaltend, stellte man fest, dass auch ‚die Russen‘ Interesse daran haben konnten, Lech Kaczyński loszuwerden. Der sei Putin besonders unangenehm aufgefallen, als er sich entschlossen auf die Seite Georgiens und gegen Russland im Kaukasuskrieg 2008 stellte. Auf diesem Wege ist man zu dem Schluss gelangt, dass Donald Tusk, damals Ministerpräsident Polens, gemeinsam mit Putin ein Attentat geplant haben musste.

Das ist aber noch nicht alles. Für diejenigen, die mit der Logik des genuin polnischen antikommunistischen Weltbildes nicht vertraut sind, mag es überraschend wirken, dass sich die ‚Smolensk-Verschwörung‘ nicht in einem ‚einfachen‘ Tusk-Putin-Komplott erschöpft, welcher die angeblich nicht überwundene direkte Abhängigkeit Polens von Moskau suggeriert. Könnten nicht auch ‚die Deutschen‘ ihre Finger im Spiel gehabt haben? Natürlich, ohne die Deutschen geht es nicht, auch wenn sie in der ‚Smolensk-Verschwörung‘ bloß eine indirekte Rolle übernahmen.

Tusk wurde von der polnischen Rechten als ein eindeutig pro-deutscher Politiker eingestuft, was das politische Leben in Polen, das sollte man wissen, nicht unbedingt einfach macht. Wie schwerwiegend der Vorwurf ist, etwas mit ‚den Deutschen‘ zu tun zu haben, und wie er in absurde Andeutungen münden kann, zeigt das Ereignis von 2005. Tusk, der damalige Präsidentschaftskandidat der PO, wurde vom Wahlkomitee Lech Kaczyńskis mit dem Verweis auf seine Familiengeschichte diffamiert. Laut dessen Bezichtigung sei Tusks Großvater ein freiwilliger Wehrmachtsoldat gewesen. Dies machte Tusks Hoffnungen auf den Wahlerfolg zunichte und etablierte im gesellschaftlichen Imaginarium das Bild Tusks als eines ‚deutschen Politikers‘. Eine Unterstellung, die er nie loswird: Beispielsweise, als Tusk auf den Posten des Präsidenten des Europäischen Rates 2014 gewählt wurde, sei es die Bundeskanzlerin höchstpersönlich gewesen, die Tusk vom sinkenden Schiff nach Brüssel evakuiert habe.

Donald Tusk wurde in der Smolensk-Verschwörungstheorie also mit unheimlichen Eigenschaften ausgestattet: ein Haupt der verräterischen Eliten, die ihren wahren Ursprung in der Komplizenschaft mit den Kommunisten haben sollen und für die Erhaltung des Kommunismus unter dem Deckmantel des Liberalismus gesorgt hätten; ein pro-russischer Verräter, der die wahren polnischen Eliten (Lech Kaczyński) kaltblütig Putin auslieferte; und nicht zuletzt ein undercover Deutscher, der seine verräterische und Polen-feindliche Natur von seinem Wehrmacht-Großvater geerbt habe. 

Die so konstruierte Figur des ‚Strippenziehers Tusk‘ wirkt wie eine Sammellinse für die deutsch- russische existentielle Bedrohung, der der polnische Staat seit der Ersten Teilung Polens 1772 bis zu der Teilung gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt 1939 schmerzhaft ausgesetzt wurde. Mit dieser Figur des Strippenziehers wird von der PiS eine Kontinuität behauptet, die eine deutsch-russische Herrschaft im heutigen Polen nahelegt. Das alles wurde vom Zwillingsbruder des verstorbenen Lech Kaczyński, Jarosław, auf den Punkt gebracht. Der Vorsitzende der PiS-Partei hat nach der Präsidentschaftswahl-Niederlage 2010 und lediglich wenige Monate nach der Smolensk-Katastrophe die Frage nach der polnischen Souveränität in den Raum geworfen, die an die oben rekonstruierte ‚Smolensk-Verschwörung‘ anspielte. Die Republik Polen sei laut Jarosław Kaczyński lediglich ein „russisch-deutsches Kondominium“, also eine Art Kolonie unter russischer und deutscher Verwaltung.

Der politische PiS-Erfolg 2015 lässt sich nicht allein mit dem Verweis auf die Smolensk-Verschwörungstheorie erklären, diese kann aber wohl als Katalysator der folgenden politischen Wende angesehen werden. Der Flugzeugabsturz von Smolensk und der anschließende Streit um das angebliche Attentat haben eine weitreichende Auswirkung, die sich jedoch nicht sofort offenbarte: Die damals regierende PO-Partei konnte bald darauf noch einen Doppelsieg (Präsidentschaftswahl 2010, Parlamentswahl 2011) feiern. Die von der PiS-Partei verbreiteten Verschwörungstheorien unterlagen zunächst der von der PO verbreiteten Erfolgspropaganda des ‚zweiten polnischen goldenen Zeitalters‘. Der rechte Maulwurf hatte sich jedoch bereits gut ins gesellschaftliche Imaginarium gewühlt und tüchtig an die Arbeit gemacht. Die Konjunktur des verschwörerischen Denkens wurde angekurbelt. Anlässe dafür gab es viele, nicht zuletzt eine unbefriedigende Untersuchung des Flugunfalls, die, wenn sie nicht direkt die Pfadfindermeute der ‚Smolensk-Sekte‘ vermehrte, zumindest eine Masse anfälliger ‚Smolensk-Agnostiker_innen‘ hervorgebracht hat. Viele Ungewissheiten, die diese Unfallsuntersuchung wachsen ließ, wurden von der PiS-Partei geschickt mit der kommunistischen Vertuschung der Wahrheit von Katyn-Massaker gleichgesetzt. Dennoch ebenso wie die Wahrheit von Katyn nach langer Bestrebung schließlich offenbart wurde, sollte nun die ‚Wahrheit von Smolensk‘ laut der PiS-Partei dank neuer Beweise im Jahre 2020 endgültig siegen.

Dem genuin polnischen antikommunistischen Weltbild ist viel mehr als ‚nur‘ die ‚Smolensk-Verschwörung‘ auf die Rechnung zu schreiben. Diese hat sich für die PiS-Partei zunächst sehr praktisch für die innenpolitischen Auseinandersetzungen erwiesen, als sie selbst noch in der Opposition war: Die Smolensk-Verschwörungstheorie diente nicht zuletzt dazu, eine breitere, über die feste PiS-Wählerschaft hinausgehende Front gegen die vermeintlich verräterischen Eliten des ‚liberalen Polens‘ zu mobilisieren. Hier erreicht sie aber ihre Nutzenschwelle. Schließlich ist das eigentliche Ziel der PiS-Partei nicht, Vertrauen zu jeglichen politischen Eliten in Frage zu stellen und die Gesellschaft zu spalten, sondern nach Einheit zu streben, d.h. ein nationales Kollektiv im Sinne einer Volksgemeinschaft zu schaffen. 

Dafür sind andere Verschwörungstheorien nötig. Das spezifisch polnische antikommunistische Weltbild erweist sich hier jedoch als besonders schöpferische Quelle. Nach dessen Logik wird die homogene nationale Gemeinschaft einer durchaus säkularisierten, feindlichen westlichen Welt entgegengestellt. Diese habe wiederum „mit traditionellen, polnischen Werten nichts mehr zu tun“ – verkündete 2016 in der Bildzeitung der damalige Außenminister Polens. Die Gelegenheit nutzend, lamentierte er überschwänglich über „ein bestimmtes linkes Politik-Konzept“ des Westens: „Als müsse sich die Welt nach marxistischem Vorbild automatisch in nur eine Richtung bewegen – zu einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen.“

Polen sei gezwungen, einen Verteidigungskrieg zum Erhalt des wahren Kerns der westlichen Kultur zu führen. Die Bedrohung dieser sei jedoch nicht mehr der Kommunismus sowjetischer Provenienz, sondern vielmehr ein im Westen hegemonial gewordener ‚westlicher Neomarxismus‘: „Die rote Seuche geht glücklicherweise nicht mehr über unser Land. Aber das heißt nicht, dass es nicht eine neue Seuche gäbe, die unsere Seelen, Herzen und unser Denken beherrschen will. Nicht die marxistisch-bolschewistische Seuche, aber aus dem gleichen Geist geboren. Eine neomarxistische Seuche – nicht in Rot, sondern in den Farben des Regenbogens“ – predigte 2019, wohlgemerkt zum Jahrestag eines antideutschen Aufstandes, nämlich des Warschauers 1944, der Erzbischof von Krakau, womit er indirekt einen ‚heroischen Aufstand‘ gegen die ‚Gay-Pride‘-Parade 2019 in Białystok und im Rahmen der sogenannten ‚LGBT-freie Zonen‘ rechtfertigte.

Das Obige zur Kenntnis nehmend, kann es nicht überraschend sein, dass das polnische antikommunistische Weltbild für antisemitische Feindbilder anschlussfähig ist. Dies müsste spätestens zu Beginn des Jahres 2018 nach der Verabschiedung des sogenannten ‚Holocaust-Gesetzes‘ auch denjenigen klar werden, die seine inhärente Affinität mit dem antisemitischen Feindbild der ‚Judäo-Kommune‘ nicht zur Kenntnis nahmen. Innerhalb der wenigen Monaten, bis die PiS unter dem internationalen Druck ihr dubioses Gesetz zurücknahm, etablierte sich in der Öffentlichkeit ein Raum für die Feindseligkeit gegenüber Juden, Jüdinnen und dem Staat Israel. Diesen Raum und den ‚PiS-Rückzug‘ nutzend, hat sich der rechte Rand konsolidiert, um gegen die Unterwürfigkeit der PiS-Partei gegenüber Israel vehement zu protestieren. Mit antisemitischen Parolen und Aktionen sind dessen Vertreter bereits 2019 unter dem Schild ‚Konföderation Freiheit und Unabhängigkeit‘ (Konfederacja Wolność i Niepodległość) zwar mit knapp 7%, aber mit Unterstützung eines Fünftels der wählenden jungen Polinnen und Polen (18-29) doch ins Parlament eingezogen. Die konföderierten Rechten glauben, die PiS-Partei sei selbst lediglich eine Marionette der ‚fremden Mächte‘. Sie widersprechen sogar Jarosław Kaczyński und seinem Diktum von Polen: Polen sei zwar ein „russisch-deutsches Kondominium“, aber wohl ein „russisch-deutsches Kondominium unter der jüdischen Treuhandanstalt.“

von Wojciech Stasiak

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