Stellungnahme

Solidarsemester – jetzt!

Studentischer Forderungskatalog zur Lage der Hochschulen

Forderungen Bund und Länder

Finanzielle Situation von Studierenden

In der aktuellen Krisensituation müssen die Stimmen der Studierenden Gehör finden, die Soforthilfen und Anpassungen der Studienfinanzierungen fordern.

Existenzsicherung für Studierende garantieren: BAföG umgehend anpassen

Die Förderungshöchstdauer muss im angemessenen Maße (mindestens um ein Semester) verlängert werden. Diese krisenbedingten Verlängerungszeiten sind als Vollzuschuss zu gewähren. Das BAföG muss sofort entbürokratisiert werden und die Einkommensfreibeiträge müssen mindestens um die vom BMBF für 2021 vorgesehenen 6% erhöht werden. 

Gleichzeitig braucht es Notkriterien, die den eigenen durch die Krise bedingten Einkommensausfall oder den der Eltern mitberücksichtigen. Kriterien, die eine reguläre BAföG-Förderung bislang verunmöglicht haben, sind in dieser Zeit auszusetzen.

Unbürokratische Soforthilfe für Studierende

Daher brauchen sie dringend Soforthilfen, um existenzbedrohte Studierende in dieser Krisenzeit zu unterstützen.

Diese Soforthilfen müssen schnell, unbürokratisch und auskömmlich gestaltet sein. Das Deutsche Studentenwerk hat vorgeschlagen, einen Bund-Länder-Studierendenfonds ins Leben zu rufen, der diese Soforthilfen bereitstellt. Wir unterstützen diesen Vorschlag ausdrücklich.

Sozialstaat auch für Studierende – Unbürokratisch Verdienstausfall ausgleichen

Den Studierenden, die aufgrund der Corona-Krise ihre finanzielle Lebensgrundlage entzogen wurde, ist ein Anrecht auf die Sozialleistungen des SGB II (ALG II) zu gewähren. Die Ausschlusstatbestände nach § 7 sind für die Dauer der Krise aufzuheben. Dabei muss die Sicherstellung des Lebensunterhalts einschließlich der Wohnkosten absoluten Vorrang gegenüber der Vollständigkeit von Nachweisen haben. Diese Regelung ist auch auf zukünftige singuläre Ereignisse, die den Arbeitsmarkt in Härte treffen, anzuwenden.

Krankenkasse und Kindergeld

Studierende dürften nicht durch eine unfreiwillige Studienzeitverlängerung bestraft werden: Ebenso, wie das SoSe2020 beim BAföG nicht „zählen“ darf, ist dies auch bei der studentischen/freiwilligen Krankenversicherung zu berücksichtigen (Überschreitung Altersgrenze).

Dies gilt auch für die Verlängerung des Kindergeld-Anspruchs sowie der Familienversicherung um die Dauer der Krise plus einen Monat.

Stipendien und Studienkredite

Stipendien zur Studien- und Promotionsförderung sind analog zum BAföG zu verlängern.

Studienkredite

Die Fristen der Kredite müssen den Krisenbedingungen angepasst und um mindestens sechs Monate verlängert werden müssen.

Ebenso müssen (KfW-) Studienkredite ohne Nachteil als Nicht-Semester weiter aufgenommen werden können.

Keine Studiengebühren

Im Sommersemester dürfen keine Langzeit- oder Zweitstudiengebühren, sowie Studiengebühren für ausländische Studierende verlangt werden. Außerdem sind die Fristen für Langzeitstudiengebühren, um mindestens ein Semester, zu verlängern. 

Entlastung von Mietkosten

Wir fordern die Studierendenwerke auf, die Mietforderungen in den Wohnheimen freiwillig durch formlosen Antrag des*der Studierenden auszusetzen. Die Bundesländer sind gleichzeitig aufgefordert, die ausstehenden Mietrückstände zu übernehmen.

Bestehende Ansprüche sichern

Die Ansprüche auf bereits bewilligte Fördermittel, z. B. Auslands-BAföG, Erasmus-Gelder etc. müssen bestehen bleiben. Bereits ausgezahlte Fördermittel dürfen nicht zurückverlangt werden. Die Förderung studentischer Austauschprogramme muss fortbestehen und es müssen Möglichkeiten des Ausgleichs der Pandemiefolgen geschaffen werden, um diese Programme nachhaltig zu sichern.

Die Finanzierung studentischer Austauschprogramme darf nicht negativ von den sinkenden Zahlen der Absolvierenden und Austauschen in diesem Jahr beeinflusst werden.

Stipendien- und Förderungszusagen sind auf spätere Semester/Zeiträume zu übertragen.

Rechte ausländischer Studierender wahren

Grundsätzlich bestehen keine Ansprüche auf Transferleistungen oder BAföG Ansprüche für Studierende mit einem Aufenthaltstitel nach § 16 b AufenthG. Das Studium muss selbst finanziert werden. Zusätzliche Kosten durch Studienzeitverlängerungen sind häufig nicht eingeplant und treffen die Studierenden daher besonders hart. Die Familien und finanziellen Unterstützer*innen im Ausland sind meist auch ohne gute Krankenversorgung, daher trifft die Pandemie die Studierenden doppelt, die häufig ihre kranken oder in wirtschaftliche Notlage geratene Familie unterstützen müssen.

Wir fordern den Interessen ausländischer Studierender gerecht zu werden:
Der Finanzierungsnachweis muss ausgesetzt werden und der Aufenthaltstitel verlängert werden, ohne Anrechnung des Wintersemesters 19/20 sowie des Sommersemesters 2020. Ebenso gilt der Verlängerungsbedarf bei Stipendien. Ausländischen Studierenden muss der Zugang zu sozialer Sicherung (BAföG/Notfallhilfen) eröffnet werden. Dabei ist besonders wichtig, dass Hochschulen und Ausländerbehörden kooperativ zusammenarbeiten.

Für die Zulassung zum Studium vorgesehene, jedoch aufgrund der aktuellen Situation nicht zu erfüllende Voraussetzung sind auszusetzen oder durch Auflagen später zu erbringen. 

Ausländische Studierende, die eine Zulassung zu einem (zulassungsbeschränkten) Studiengang erhalten haben, diesen wegen der Einreisebeschränkungen jedoch nicht antreten dürfen/können, sollen ihre Zulassung kostenlos auf das nächste Zulassungsverfahren übertragen können.

Zulassung zum Studium

Generell sind alle Bewerbungsfristen angemessen zu verschieben, sodass ausstehende Nachweise zur Bewerbung zum Master- und Bachelorstudium erbracht werden können.

Staatsexamen und weitere staatliche Prüfungen

Wie wir im Folgenden auch auf Hochschulebene fordern, muss die Teilnahme an Prüfungen, die nicht von den Hochschulen, sondern von staatlichen Behörden veranstaltet werden (Staatsexamen usw.), für die Studierenden freiwillig sein. Auch diese Prüfungen müssen je nach Vorbereitungspensum frühzeitig angekündigt werde und auf die Bedürfnisse der Studierenden und die aktuelle Vorbereitungssituation zugeschnitten sein.

Forschungsförderung / WissZeitVG

Die Zeit des eingeschränkten Hochschulbetriebs darf nicht auf die Befristungsdauer von wissenschaftlichen und studentischen Beschäftigten nach WissZeitVG angerechnet werden. Bund und Länder haben dafür Sorge zu tragen, staatlich geförderte Drittmittelprojekte ausreichend zu verlängern und mit zusätzlichen Geldern zu versehen, um die Finanzierung der Projekte sicherzustellen.

Hochschulfinanzierung

Die Hochschulen werden es aufgrund ihrer strukturellen Unterfinanzierung nicht schaffen, alle notwendigen Maßnahmen aus ihrem laufenden Budget zu finanzieren. Die Bundesländer sind aufgefordert, die Unterfinanzierung der Hochschulen jetzt zu stoppen!

Forderungen an die Hochschulen

Semestergestaltung

Für Studierende sind die Nachteilsausgleichs- und Härtefallregelungen angemessen zu erweitern, um individuelle krisenbedingte Nachteile, z. B. eingeschränkte Internetzugänge, parallele Sorgeverpflichtungen, etc. auszugleichen.

Studierende müssen die Möglichkeit erhalten, den Bedingungen und Inhalten angepasste Prüfungs- und Studienleistungen zu erbringen. 

Auslaufende Studienordnungen und -gänge müssen in Abstimmung und im Einvernehmen mit den Dozierenden um ein Semester verlängert werden.

In Studienordnungen, die zwingend aufeinander aufbauende Veranstaltung enthalten, muss dieser Zwang für die nächsten drei Semester entfallen.

Für verpflichtende Praxissemester und -phasen sind flexible Regelungen insbesondere bei dualen Studiengängen, Lehramtsstudiengängen, Studiengängen der Sozialen Arbeit und anderen Studiengängen mit staatlicher Anerkennung zu schaffen.

Aus dem Wintersemester nachgeholte Prüfungen müssen je nach Vorbereitungspensum frühzeitig angekündigt werden und dürfen keinesfalls verpflichtend durchgeführt werden.

Die Prüfungslast darf sich nicht gegen den Willen der Studierenden durch im Sommersemester/Wintersemester nachgeholte Prüfungsleistungen, welche aktuell verschoben werden, erhöhen.

Prüfungen, die nur jährlich im Sommersemester angeboten werden, müssen zusätzlich im Wintersemester 20/21 angeboten werden.

Alle Prüfungsfristen und automatischen Nichtbestehensregelungen sind auszusetzen und um mindestens ein Semester zu verlängern.

Alle Prüfungsversuche im Sommersemester werden als Freiversuche gewertet, d.h. sie werden im Falle des Nichtbestehens nicht gezählt und können im Falle des Bestehens zur Notenverbesserung wiederholt werden.

Aussetzung von Anwesenheitspflichten

Den Studierenden, die einen internationalen Studienabschnitt („Auslandssemester“) nicht antreten konnten bzw. abbrechen mussten, sollte ermöglicht werden, dass sie gleichberechtigt Zugang zu den (Online-) Lehrangeboten des Sommersemesters 2020 haben.

Das Semester der Medizinstudierenden

Die freiwillige Mitarbeit der Medizinstudierenden ist eine wichtige Grundlage für die Unterstützung der personellen Kapazitäten in den Gesundheitseinrichtungen. Zehntausende haben sich hierfür innerhalb der letzten beiden Wochen bereits gemeldet. Diese Arbeit muss von der Universität anerkannt werden und den Studierenden darf dadurch kein Nachteil entstehen.

Beschäftigungsbedingungen

Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen

Hochschulen müssen ihrer sozialen Verantwortung nachkommen und alle Verträge (befristete Arbeitsverträge, Forschungs-, Verwaltungs- und Lehrprojekte) reibungslos und unterbrechungsfrei um mindestens sechs Monate verlängern. Dabei sind studentische Beschäftigte explizit einzuschließen!

Die zusätzliche Arbeitsleistung, welche (insbesondere studentische) Beschäftigte mit der Umstellung auf digitale Lehre erbringen, muss in der Arbeitszeit und Entlohnung abgebildet werden.

Lehraufträge auf Honorarbasis müssen in jedem Fall bezahlt werden, auch wenn die Lehre nicht oder nur eingeschränkt stattfinden sollte.

Lohnfortzahlung in allen Bereichen.

Kinderbetreuung

Hochschulangehörige und extern Beschäftigte (inklusive studentische Beschäftigte) mit Kindern sind derzeit besonders belastet, da Kitas und Schulen geschlossen werden. Dies erfordert eine unbürokratische Aussetzung der Präsenzpflicht am Arbeits- und Studienplatz für Menschen mit Sorgeaufgaben. Ebenso darf die Betreuung von Kindern aufgrund von Kita- und Schulschließungen nicht über unbezahlten oder regulären Urlaub geregelt werden. g

Digitalisierung

Einheitliche Qualitätsstandards für digitale Lehre müssen geschaffen und eingehalten werden. Auch deswegen sollte Geld in die Fachkräfte statt in kommerzielle Software investiert werden.

Es braucht Fortbildungen für Dozierende für Online- und Blended-Learning-Formate. 

Bei allen digitalen Lehrformaten muss zudem immer die Inklusion der Studierenden mitgedacht werden. In der Praxis heißt das, dass verschiedene Möglichkeiten zur Teilnahme an Modulen bereitgestellt werden.

Nicht zuletzt muss die digitale Lehre asynchron stattfinden können und darf kein schnelles Internet voraussetzen. 

Hochschuldemokratie

Um die Lehre im Solidarsemester 2020 neu regeln zu können, stehen viele Entscheidungen innerhalb der Hochschulen an. Aufgrund der Krisensituation werden und wurden diese schnell getroffen und umgesetzt. Aber auch, wenn schnelle Entscheidungen erforderlich sind, müssen die Hochschulgremien mit in die Entscheidungsfindung der Rektorate, Präsidien und Dekanate eingebunden werden. Die digitale Umstellung der Lehre und des Hochschulalltags darf nicht zur Aussetzung demokratischer Wahlgrundsätze führen und eine ad hoc Einführung von Online-Wahlen generieren. 

Explizit für die Bewältigung der Coronakrise fordern wir, dass in allen Krisenstäben der Hochschulen mindestens ein*e Teilnehmer*in aus jeder Statusgruppe beteiligt sein muss. 

Gemeinsam die Herausforderung gestalten

Für eine erfolgreiche Gestaltung des Solidarsemesters im Sommer 2020 müssen Studierende unbedingt in die Planungen der Hochschulen, der Länder und des Bundes mit einbezogen werden.

mehr Infos findet ihr unter:https://www.lak-niedersachsen.de/2020/04/soldiaritaetssemester-jetzt/ & https://www.fzs.de/2020/04/06/studierendenverbaende-fordern-solidarsemester-2020/

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