Hybrids – Das digitale Semester war eine Katastrophe

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Destination Hybridsemester. Dass man hier nie richtig würde landen können war nicht unwahrscheinlich und vielleicht hätte man sich im Nachhinein, wie es der Journalist J.M. Wiarda auf seinem einflussreichen Blog immer wieder gefordert hat, gleich auf einen längeren Flug einstellen sollen und das Semester von vornherein digital planen. Nun, in dieser Pandemie gibt es viele nachträgliche Propheten. Andererseits war der Versuch, alles für ein Präsenzsemester zu machen, verteidigenswert. Unrealistisch schien es nicht, all das sicherzustellen, was in den nach wie vor offenen Schulen nicht möglich ist (AHAL). Zu sehr leidet die Lehre in vielen Fächern an der reinen Onlineform, als dass es akzeptabel gewesen wäre, dies gleich für das Wintersemester zu bestimmen. Die Onlinelehre hat schließlich viele lautstarke Verteidiger, aber auch eine stille Großgruppe an Kritiker_innen.  

Der Wunsch zu einer Rückkehr zur Präsenzlehre ist eindeutiges Ergebnis der Evaluation des digitalen Sommersemesters und das passt zu korrespondierenden Studien zu diesem Thema. Von solcher Forschung und Evaluation könnte man viel lernen. Könnte man – wenn die Uni es denn schonungslos machen würde. Der Eindruck, den man stattdessen hat, ist, dass man nach wie vor darauf fokussiert ist, einem ungeschriebenen Gesetz des Wissenschaftsmanagements sich zu unterwerfen, nämlich dass man immer alles Positive in den höchsten Tönen loben und alles Negative zu seinem heimlichen Vorteil zu reframen hat. Würde man die offiziellen E-Mails der Uni aus der Coronazeit einmal nach diesen beiden Strategien analysieren, so wäre der Frame deutlich. Diese Grundhaltung, die man sich aus einer Internalisierung der Konkurrenz erklären kann, in die jeder an der Uni arbeitende gestellt ist, verhindert das schonungslose Attest: das letzte Semester war eine Katastrophe und das aktuelle schickt sich an das letzte zu wiederholen. 

Wenn man nun feststellt, dass das ‚distanzierte Sommersemester‘, wie der Schweizer Pädagoge Beat Döbeli Honegger es gegen die drohende Reduktion der digitalen Lehre auf die Coronazeit formulierte, als solches eine Katastrophe war, dann heißt das nicht, dass man irgendeinen Schuldigen sucht. Aber nur wenn man sich immerhin eingesteht, wie die Lage ist, hätte man so radikal in die Planungen des Semesters gehen können wie die Situation es verlangt. Wie aber hat man sich auf dieses Semester vorbereitet? Wie viele Lehrende haben eine systematische Fortbildung in der Onlinelehre erhalten? Wie ist das vorbereitete Vorgehen bei dem nicht gänzlich unerwarteten Ereignis eines erneuten Lockdown? Es ist komplett abhängig von dem Engagement der einzelnen lehrenden Person, wie gut die Onlinelehre gelingt, aber das kann doch keine adäquate Antwort auf ein gesamtuniversitäres Problem sein. 

Doch es gibt noch Schlimmeres als die Tatsache, dass viele Lehrende Online schlicht keine gute Lehre machen. Man betont, dass die Mehrheit immerhin technisch und hinsichtlich eines ruhigen Umfelds gut teilnehmen kann. Aus Sicht dieser ist die Onlinelehre vielleicht nur etwas nervig, oder aber bei einem weit entfernt Pendelnden sogar besser zu seinem Leben passend.
Aber eine Minderheit konnte schon aufgrund technischer Voraussetzungen nicht studieren. Dieser Umstand ruft nach einer Handlung: was macht man mit einem Problem wie dem, dass, je nach Fakultät etwas unterschiedlich, bis zu einem Fünftel der Studierenden bei einem digitalen Semester mehr oder weniger nicht möglich waren zu studieren? Sind das ernsthaft vernachlässigbare Zahlen? Wenn man den Problembereich klar benannt, dann kann man überlegen, was man machen kann. Und man könnte viel machen: universitäre Förderprogramme für die Anschaffung von Laptops etwa, oder aber, schaden kann es nicht, eine Solidaraktion der ganzen Uni. Unter der Schirmherrschaft der Uni! Der AStA führt solche Aktionen durch und hierhin wenden sich die Studierenden, wohl wissend, dass an anderen Stellen keine Hilfe zu erwarten ist. 

Die Universität muss sich nicht dafür rechtfertigen, dass sie als Präsenzuni nicht perfekt auf ein digitales Studium ausgerichtet ist. Sie muss sich aber sehr wohl dafür rechtfertigen, dass die systematischen Probleme der Studierenden, insbesondere der Ärmsten, nicht scharf genug benannt und bekämpft hat. Die Uni betonte, als es etwa um die Forderung eines Solidarsemesters ging, dass ihr die Hände gebunden gewesen seien, weil dies Ländersache sei und man das nötige dort schon gemacht habe. Das soll man ihr dann offenbar blind glauben. Nur: ist das so? Es war nie so auffällig wie in den letzten Monaten, dass die Universität, wenn sie es einmal richtig möchte, sehr großen und perfekt organisierten Druck ausbauen kann. Das nämlich hat sie beispiellos, und am Ende glücklicherweise auch erfolgreich, bei dem Zuschuss für den Medizingebäude-Neubau getan. Auf einmal gab es Öffentlichkeitsarbeit. Auf einmal gab es eine wirklich toll organisierte Kampagne, mit dem man gehörigen öffentlichen Druck auf die Landespolitik aufgebaut hat. Das zeigte: es geht, die Uni kann sowas, und zwar sehr gut. Aber was heißt das dann dafür, dass sie es an anderer Stelle nicht macht? Wo ist das Foto vom Unipräsidenten mit der lokalen Politik, mit dem er auf die miserable Situation der Studierenden aufmerksam macht? Immer wieder hat die Uni in ihren offiziellen Mails betont, wie besonders die Situation ist und wie man „zusammensteht“. Mit Pathos zur ersten Person Plural. Aber ein solches „wir“ ist offenbar eine Illusion, oder aber Studierende sind nicht ‚mitgemeint‘. Es geht in Zukunft darum, und das sollte sich auch der / die neue Unipräsident/in sich ins Stammbuch schreiben, die Unilehre und die Unterstützung der Studierenden endlich zu einer, wenn nicht der Priorität der Universität zu machen.  

von Bela Goff

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