Stellungnahme

Offener Brief zur Finanzierung der Studentenwerke und zur sozialen Lage der Studierenden

Hannover, 15.08.2022

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Stephan Weil,

sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung Niedersachsen,

allein in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gab es keine drei aufeinander folgenden Jahre, die der Politik und insbesondere der Bevölkerung so viel abverlangt hat, wie die letzten Jahre zwischen 2020 bis 2022.

Die pandemisch bedingten Notlagen, Naturkatastrophen, die Auswirkungen eines benachbarten Krieges, wie auch die spürbaren Richtungswechsel sowohl im Bereich der Tierhaltung von Nutzvieh und der Strukturwandel in der Landwirtschaft als auch im Bereich der Energiewende, der Abwendung von fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien haben fundamentale Veränderungen und Herausforderungen für unser Land und unsere Gesellschaft hervorgerufen.

Diese Veränderungen machen auch vor unseren niedersächsischen Universitäten und Hochschulen nicht halt. Die damit verbundenen aktuellen Probleme bringen sowohl die Studierenden als auch die für sie einstehenden Studentenwerke weit über ihre Belastungsgrenzen hinaus.

Die Preise steigen in allen Bereichen, denen die Studentenwerke verpflichtet sind,

nachzugehen, um den Studierenden ein erfolgreiches Studium zu ermöglichen, an. Sei es die Verpflegung (steigende Einkaufspreise der Lebensmittel und Energie), das Bereitstellen und Vermietung von Wohnfläche (Bewirtschaftung, Sanierung und Neubauten von Wohnheimen und Wirtschaftsgebäuden) und die bloße Bereitstellung von Energie, in Form von Strom und Wärme (Nebenkosten). Diese Kosten sind -wie überall und für jeden ersichtlich- drastisch, teilweise explosionsartig gestiegen und können nur bedingt aufgefangen werden.

Die Auswirkungen sind jedoch fatal!

Ohne langfristige und umfassende Preisanpassungen in diesen Bereichen, kann keines der Studentenwerke den Betrieb aufrechthalten, soweit nicht bei der Qualität der Leistungen signifikante Abstriche gemacht werden sollen. Die Studentenwerke haben durch die pandemische Situation der letzten Jahre einen rigorosen Optimierungsprozess durchlaufen. Wir können Ihnen gewissenhaft mitteilen, dass dieser Prozess abgeschlossen ist und weitere Optimierungsprozesse regelrecht erschöpft sind.

Der niedersächsische Wissenschaftsminister, Herr Björn Thümler, sagte vor ein paar Jahren in einem Fernsehinterview sinngemäß, dass, wenn jemand (Studentenwerke) bauen wolle (Wohnheime), dann müsse mehr Umsatz (Verkauf von Essen in Mensen, etc.) generiert werden, sodass auch solche Vorhaben (Neubauten und Sanierung von Wohnheimen) durchgeführt werden können.

Stand heute müssen wir Herrn Thümler leider berichtigen:

Jede Mahlzeit, die an Studierende verkauft wird, ist subventioniert. Von Haus aus ist die gesamte Produktion der Verpflegung schon sehr knapp kalkuliert, so dass diese auch für alle Studierenden bezahlbar bleibt.

Gewinne lassen sich bei den Studentenwerken u.a. nur dann erzielen, wenn bspw. gar keine Verpflegung an Studierenden verkauft wird. Dies gilt auch für alle anderen Leistungen, die die Studentenwerke gemäß dem Niedersächsischen Hochschulgesetz (§68 Abs.2, NHG) verpflichtet sind, anzubieten. Aus gutem Grund wird jedes Studentenwerk als Anstalt des öffentlichen Rechts geführt und nicht als ein Privatunternehmen mit klarer Gewinnabsicht.

Den Studentenwerken würde nur der Weg bleiben, erneute Anpassungen von Beiträgen der Studierenden in Form von Erhöhungen der Beiträge, der Wohnheimmieten, der Nebenkosten und der Essenspreise, zu Lasten der Studierenden, vorzunehmen.

Zu Lasten der Studierenden u.a. deshalb, da die finanziellen Mittel, die das Land den Studentenwerken als Landesmittel zukommen lässt, seit Jahren nicht oder nur marginal angepasst worden sind. Diese Landesmittel sind so aufgestellt, dass diese, allein am Beispiel Hannover, einen Wert von nur knapp über einem Drittel im Vergleich zu den Studentenwerksbeiträgen der Studierenden ausmacht (Studentenwerkeinnahmen in 2020: 13,3% Landeshilfen zu 32,7% Studentenwerksbeiträge, in 2021: 12,8% zu 35,6%, Stand: 06/2022).

Wir freuen uns darüber, dass im neuen Haushalt diese Landesmittel um insgesamt €1.000.000,00 erhöht wurden. Es muss dabei jedoch berücksichtigt werden, dass diese Summe auf die einzelnen Studentenwerke gleichmäßig verteilt wir, sodass alle fünf Studentenwerke Niedersachsens jeweils €200.000,00 bekommen werden. Diese Gelder stellen objektiv eine Tropfen auf dem heißem Stein dar und sind aus unserer Sicht nicht mehr als ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

Dies wird mehr als ersichtlich, wenn den Studentenwerken die einzelnen Verträge mit den hiesigen Anbietern zur Belieferung von Gas und Strom auslaufen und unter den momentanen Situationen nicht verlängert werden. Somit sind diese verpflichtet Strom und Gas auf dem freien Markt zu sehr viel schlechteren Konditionen einzukaufen.

Die Dramatik der Situation wird am Beispiel Hannover deutlich. Hier mussten Studierende in den letzten acht Jahren Beitragserhöhungen im Bereich um €35,00 für das eigene Studentenwerk (sowie auf die gesamten Semesterbeiträge Erhöhungen von €71,28) erfahren, da das Land seiner eigentlichen Aufgabe in diesem Bereich nicht mehr nachkommt, bzw. nicht mehr nachkommen will! Dies wird sehr leicht an der Tatsache ersichtlich, dass in diesem Zeitraum die Landesmittel nicht nur langfristig stagnierten, sondern nicht weiter adäquat angepasst worden sind, während in Kauf genommen wird, dass die Studierenden weiter und weiter zu Mehrzahlungen regelrecht gezwungen werden.

Wir als Studierende in Niedersachsen haben in den letzten drei Jahren eine recht bewegende Studienzeit gehabt. Nahezu aus dem Nichts kam die Digitalisierung mit ihren Stärken aber auch mit ihren Schwächen. Online-Prüfungen wurden auf einmal angeboten, die vorher als „nicht durchführbar“ angesehen worden sind.

Wir haben in der Einsamkeit -durch die Pandemie aufgezwungenes- unser Studium effektiv als eine Art Fernstudium weiterverfolgt und wussten teilweise nicht, woher das Geld für die Lebenserhaltungskosten kommen sollte. Viele Studierende konnten diesen Zustand nicht auffangen und haben das Studium abgebrochen. Dies spiegelte sich auch massiv an den psychosozialen Problemen von Studierenden wider. Die traurige Wahrheit wird besonders an den Zahlen der Ratsuchenden der psychotherapeutischen Beratungsstelle (ptb) ersichtlich. Hier mussten wir einen Anstieg von 13,7% im Vergleich der Jahre 2020 zu 2021 (bei einem Gesamtzuwachs in den vorangegangenen zehn Jahren um 81,2%!) verzeichnen (Jahresbericht der ptb vom 20.04.2022).

Wir möchten Ihnen nicht zu nahetreten, jedoch hat keiner von ihnen, sehr verehrte Mitglieder des niedersächsischen Landtages, solch eine Situation im eigenem Studium oder Ausbildung kennengelernt und erfahren!

Minijobs sind weggebrochen und der „Run“ auf die Fördergelder, nebst Beantragungen und dem Ausfüllen verschiedenster Formulare hat unser Studienleben weiter „bereichert“. Für uns waren die Präsenzveranstaltungen immer DAS Ziel, das wir erreichen wollten. Nachdem auch noch weitere Maßnahmen gefallen sind, waren wir froh, das Studium ansatzweise normal in Präsenz fortzusetzen.

Es folgten jedoch immer weitere Probleme, die im ersten Teil hinreichend dargestellt worden sind. Eines davon sind die drastischen Preisanstiege im Bereich Energie (Gas/Strom) und Verpflegung. Ein Entgegentreten dieser Kosten seitens des Bundes und der Landesregierung, ist die sogenannte einmalige Energiepauschale oder auch „Heizkostenpauschale“, die -vor Steuer- €300,00 betragen soll.

Jedoch ist diese wohl nicht für ALLE Studierenden zugleich gedacht.

Anfangs sollten nur Studierende diese Förderung erhalten, die einen BAföG-Anspruch haben. Andere Studierende haben die Möglichkeit, diese im Bereich der Steuererklärung, geltend zu machen, jedoch nur, insofern sie diverse Kriterien erfüllen. Ein Kriterium wäre, wenn diese eine steuerpflichtigen Arbeit nachgingen. Andere Studierende haben demnach die Möglichkeit, diese Pauschale in der Steuererklärung rückwirkend geltend zu machen.

Dies würde uns unweigerlich zu einem erneutem Problem führen: Der Energiearmut.

Am 07.07.2022 hat gemäß einem Artikel der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ,) der niedersächsische Wirtschaftsminister, Herr Bernd Althusmann, bei einem Krisentreffen mit ihnen, Herr Weil, erklärt, dass eine massive Gefahr in Niedersachsen entstünde. Diese Gefahr hat Herr Althusmann mit dem Begriff „Energiearmut“ umschrieben. Weiter hat er seine Meinung mitgeteilt, dass es keine Energiesperre geben dürfe, wenn eine Zahlungsunfähigkeit vorläge. Dieser Situation könnte sehr wohl entgegengewirkt werden, indem allen, immatrikulierten Studierenden die o.g. Hilfen zugänglich gemacht werden würde.

Aus diesen Gründen stellen wir folgende Forderungen an Sie:

  • ausnahmslos alle Studierende gelten für die Energiepauschale als empfangsberechtigt, diese mittels vereinfachter Beantragungsverfahren und einer Selbsterklärung (selbige Vorgehensweise wie bei den Corona-Hilfen) zu beantragen.
  • die Unterstützung der niedersächsischen Studentenwerke durch das Land bei Verhandlungen von Verträgen in Energiefragen mit den hiesigen Energieanbietern.
  • eine Zusicherung, dass keinen Studierenden Gas oder Strom abgestellt wird, wenn es zu Zahlungsunfähigkeiten kommen sollte.
  • einen permanenten Anstieg der Landeshilfen (Finanzhilfe für Studentenwerke) um fünf Prozentpunkte mit Inflationsbereinigung, damit das Missverhältnis der Einnahmen zwischen Land und Studierenden wieder angeglichen wird.
  • ein Wegfall des Verwaltungskostenanteils der Semestergebühren für zwei Semester.

Für die studentischen Mitglieder im Verwaltungsausschuss des Studentenwerk Hannover,

Carsten Bierbach

Stv. Vorsitzender des Verwaltungsausschusses des Studentenwerk Hannover und

Sprecher der studentischen Arbeitsgemeinschaft „SOS StudiWerk Niedersachsen“

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