13. Oktober 2023 | 19:00
Die Hashtagkampagne #MeToo entzündete 2017 eine weltweite Debatte, die als historische Zäsur im gesellschaftlichen Umgang mit sexuellen Grenzüberschreitungen und geschlechtsspezifischen Machtungleichheiten gehandelt wird. Wird in der Sexualitätsforschung vielfach ein Prozess der Enttraditionalisierung westlicher Sexualkultur und mithin ein Verhalten regulativer, auf Verboten basierender Sexualmoral beschrieben, so zeigt sich (nicht nur) in der #MeToo-Debatte, dass diese historische Verschiebung offenbar nicht reibungslos vor sich geht und sich Spannungsfelder im Bereich sexualmoralischer Grenzziehungen ergeben. Diese werden aus psychoanalytischer Perspektive beleuchtet.
Gegenstand der Betrachtung ist dabei eine Online-Petition an das Metropolitan Museum New York gegen die Ausstellung des Gemäldes Thérèse rêvant (1938) von Balthus, „that is“ – wie es heißt – „undeniably romanticizing the sexualization of a child“ und hierauf bezogene studentische Stellungnahmen. Setzen sich diese mit der Forderung der Petition auseinander, das Gemälde aus der Dauerausstellung zu entfernen oder dieses zumindest zu ‚kontextualisieren‘, so zeichnen sich in den Reaktionen von Studierenden konflikthafte Dimensionen von ‚Zensur‘ ab. Der Vortrag beschäftigt sich vor diesem Hintergrund mit der Frage, inwiefern sich hierin ein “allergischer Punkt“ (Adorno) gegenwärtiger Sexualmoral inszeniert.
Sonja Witte (Dr. phil.) ist Kulturwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Master-Studiengang Kulturwissenschaften an der International Psychoanalytic University (IPU) Berlin. Sie promovierte mit einer Studie über Dynamiken des Unbewussten in der Kulturindustrie. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Psychoanalytische Film- und Kulturtheorie, Kritische Theorie, Sexualitäts- und Geschlechterforschung sowie Alltagskultur.
Die Veranstaltung findet in Raum A01 0-009 statt.