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Luise Henckel: Zum Verhältnis der kritischen Theorie zur Kritik der Politik
23. Februar 2022 | 19:00 – 21:00
Der Kritischen Theorie, insbesondere ihrem „Gründungszusammenhang“, wird immer wieder eine eklatante Leerstelle attestiert, was den „Ort“ der Politik innerhalb ihrer Gesellschaftsanalysen angeht. Der Vorwurf stützt sich meist auf das notwendig „Unpolitische“, was der Kritischen Theorie aufgrund ihrer vermeintlichen Praxisferne naheliegen müsse, wie auf ihr festhalten an dem Begriff der „Totalität“ in der Betrachtung von Gesellschaft. Durch letzteres könne die Politik nur als Fassadenideologie betrachtet werden, welche mit plumper Herrschaft gleichgesetzt werde. Wenn Max Horkheimer zur Diskussion stellt, ob „(…) die Frage der Politik zu einer Zeit aktuell[ist], in der man sie nicht machen kann?“, verweist dies allerdings nicht auf eine Bestätigung der eben genannten Vorwürfe. Vielmehr – und dem widmet sich der Vortrag – stellt genau diese Auseinandersetzung den entscheidenden Kumulationspunkt der kritischen Analyse des Spätkapitalismus aus Sicht der Kritischen Theorie dar. Diese muss ihrer Anlage nach Politik zwar ein Stück weit als Ideologie betrachten, als verknüpft mit der Gesellschaft im regressiven wie progressiven Sinne, aber eben auch als Ausgangspunkt für jedes kritische Fragen. Dass sie dieses in eine ganze Reihe von politischen/politikwissenschaftlichen Untersuchungen zu überführen wusste, beweisen dabei nicht nur die empirischen Studien und Faschismusanalysen von Franz Neumann oder Otto Kirchheimer. Vielmehr bestimmt die Frage, ob das Primat der Ökonomie in einer theoretischen Aktualisierung nicht sogar von einem Primat der Politik ersetzt werden müsse, um gegenwärtige Gesellschaftsanalyse betreiben zu können, und explizit politisch die kritischen Ansatzpunkte zur Veränderung konkretisieren zu können, die erste Generation der Kritischen Theorie spätestens seit dem US-amerikanischen Exil. Diese Problemstellung erfährt eine Zuspitzung im Rahmen der Debatte um die Kritik der Politik, welche ich in den Diskussionen im Umfeld des 16. Deutschen Soziologentag 1968 in Frankfurt am Main ansiedeln möchte. In Rekonstruktion der damaligen Debatten versucht der Vortrag die Frage zu beleuchten, welche Rolle der Begriff der Politik in der Analyse der spätkapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse und ihrer disziplinären Untersuchungsversuche von Seiten der universitären Wissenschaft spielt.
ZUR PERSON
Luise Henckel studiert in Frankfurt am Main und hält Vorträge und Workshops zur Geschichte der Deutschen Linken, Antisemitismus, Zionismus und Kritischer Theorie.
ZUR REIHE
Die Veranstaltung ist Teil der Reihe „Vorträge zur kritischen Theorie“, die im Januar 2021 begann und vom Fachschaftsrat Philosophie Oldenburg in Zusammenarbeit mit dem Rosa Salon und dem AStA der Universität Oldenburg ausgerichtet wird. Die Beiträge der Reihe werden 2022 im @verbrecherverlag erscheinen.