Was ist ein Hackathon und was hat das mit der Unilehre zu tun?

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🎙️Auch Thema im Podcast!

Bei der Suche nach Konzepten, die man im digitalen Hochschulsemester organisieren kann, rief das ‚Hochschulforum für Digitalisierung‘ im Mai einen ‚Hackathon‘ ins Leben. Dieser war dafür gedacht, sich kollaborativ mit Formen der digitalen Lehre zu beschäftigen und Probleme, die dabei auftauchen, anzugehen. Ursprünglich sollte er hauptsächlich vor Ort an einer Uni stattfinden, wie das beim Format des Hackathon eigentlich üblich ist. Er wurde zu einer reinen Onlineveranstaltung und damit selbst zum Prüfstein dessen, was er inhaltlich erreichen wollte: die Frage zu beantworten, wie man gewohnte Lehrformate ins Digitale übersetzen kann. 

Der Hackathon wurde damit en passant selbst als Veranstaltungserfahrung für die Teilnehmenden zu einer Form für eine Möglichkeit der digitalen, kollaborativen Zusammenarbeit. 

Antonia Ley

Aber noch einmal einen Schritt zurück: was genau ist ein Hackathon – und wie kann er womöglich als Lehrformat genutzt werden? Darüber sprachen wir mit Antonia Ley vom Referat für Studium und Lehre, die mit einem gemischten Team der Uni Oldenburg, bestehend aus Lehrenden, Studierenden und Mitarbeiterinnen des Referats, an dem Hackathon des Hochschulforums teilnahm. 

„Der Hackathon ist vom Wort eine Mischung aus ‚hacken‘ und ‚Marathon‘, das heißt es ist ein längerer Zeitraum, in dem an gewissen Problemen gearbeitet wird. Intensiv, aber auf diesen kürzeren Zeitraum beschränkt.“ 

Das Format des Hackathons gibt es schon seit 20 Jahren, allerdings waren sie lange vornehmlich in Informatikkreisen bekannt, wo Programmierer_innen sie zum intensiven Programmieren, Coden und kreativen Weiterentwickeln von Lösungen für bestimmte Probleme nutzten. Seit einiger Zeit wurde das Prinzip, im letzteren Sinne, und damit auch weg vom engen informatorischen Sinne, ausgeweitet. 

„Ein Hackathon hat mit dem alten Sinn von „Hacken“ erstmal in der heutigen Form nicht mehr zwingend etwas zu tun. Man kennt ja aber auch den „Lifehack“, wo man kleine Probleme des Alltags „hackt“ mit irgendwelchen kreativen Lösungen – und so ähnlich würde ich ganz allgemein auch den Hackathon beschreiben. Das heißt in dem Fall des Hackathons, an dem wir teilgenommen haben, dass man sich nicht notwendigerweise mit Programmiersprachen oder Codes auskennen musste, und es auf einer solchen Informatikebene löst, sondern Probleme des Unialltags kreativ löst, also quasi „Unihacks“ zu finden.“ 

Das Format ist in Deutschland außerhalb der genannten Kreise noch nicht lange im Einsatz, gewinnt aber zunehmend an Beliebtheit und Bedeutung. So fand im März ein Hackathon statt, der von der Bundesregierung ausgerufen wurde und sich unter dem Namen #WirVsVirus mit ganz praktischen Problemen durch Covid19 beschäftigte. Es war mit über 40.000 Teilnehmenden der bis zu diesem Zeitpunkt weltweit größte Hackathon. Die Form des Hackathon lässt sich also auf recht vielfältige Weise nutzen und auf sehr unterschiedliche inhaltliche Felder anwenden. Entscheidend ist dabei aber, so Ley, ein gewisser ‚Open Space‘-Charakter.

„Das Ganze ist relativ ergebnisoffen. Also man guckt einfach, was passiert. Unser Anspruch war es nicht, am Ende etwas Perfektes zu haben, sondern wir wollten einfach schauen: was gäbe es alles für Lösungen? In diesem Fall war der Hackathon eine sehr interessante Sache für unser Team, auch weil es die normalen Strukturen rausnimmt, die man so hat, und deswegen viel mehr brainstormt und dann wieder Input von außen bekommt – von Menschen, mit denen man sonst vielleicht überhaupt nichts zu tun hätte.“ 

Auch wenn es nach der Seite des Ergebnisses und der inhaltlichen Arbeit sehr offen ist, gibt es aber bei einem Hackathon trotzdem nicht selten einen überaus klaren Ablauf, was angesichts der sehr begrenzen Zeit auch notwendig ist, weil der Hackathon am Ende des Tages output-orientiert ist – das heißt, am Ende soll es ein Ergebnis geben, so vorläufig dieses auch noch sein mag. Wie war, als Beispiel, der genaue Ablauf des Hackthons des Hochschulforums? Alles beginnt mit einem konkreten Problem, das man häufig zu etwas Positivem umdreht und „Challenge“ nennt: 

„Wir hatten bei uns, im Projekt forschen@studium, dass sich um studentische Forschung und forschungsorientiertes Lernen und Lehren kümmert, einen ‚Posterschnack‘ geplant, bei denen Studierende ihre Forschung, die von uns gefördert wurde, mit Postern vorstellen sollten. Den mussten wir leider wegen Corona absagen und da sind wir auf die Idee gekommen bei diesem Hackathon teilzunehmen mit dieser Challenge: eine digitale Postersession zu organisieren.“ 

Ausgehend von der Challenge geht es dann in eine intensive Gruppenarbeit, in der man sich bei Hürden Hilfe sucht. 

„Die Challenge wurde einem Themenbereich zugeordnet. Am ersten Tag des Hackathons haben wir uns zuerst einen Livestream angeschaut, wo der Ablauf erklärt wurde. Dann nutzten wir die Plattform ‚Mattermost‘ – das ist eine Chatplattform die lokal gehostet werden kann. Anschließend musste man erstmal versuchen, Leute mit Fachwissen oder Ideen an Bord zu bekommen, die einem helfen könnten, diese Challenge zu bearbeiten. Es gab immer wieder Zwischenergebnisse und Videokonferenzen. Am zweiten Tag gab es schließlich eine Deadline für die Abgabe der Ergebnisse.“ 

Die Frage, die man sich momentan im Referat für Studium stellt, ist, inwiefern sich das Format des Hackathon nun konkret auch an der Uni Oldenburg nutzen oder sogar etablieren ließe- 

„Es ist auch im Kleineren für eine Uni ein sehr spannendes Format. Das schöne ist, dass dadurch, dass man mit einem eigenen Problem da rein geht, dass sich dadurch organisch herauskristallisiert, was die Leute bewegt und auch die Motivation höher ist, wirklich daran zu arbeiten, weil gesagt wird, ich kann die Probleme selber einbringen, das finde ich sehr spannend.

Bei der Frage, wie man den Hackathon konkret in der Lehre der Uni umsetzen könnte, gibt es zwei Möglichkeiten, die derzeit diskutiert werden. Die eine ist, ein reguläres Seminar als Hackathon zu gestalten, wobei man sich hier der Möglichkeiten und Grenzen des Formats bewusst sein muss, wie Antonia Ley betont.

„Ich denke man kann es sehr gut als Seminar nutzen, ich glaube man muss aber wissen, dass man nur eine Phase von einem Projekt bearbeiten kann bei einem Hackathon. Weil dieser Zeitdruck da ist, hat man nicht die Möglichkeit, etwas zu machen was länger dauert. Man könnte es gut nutzen, um Sachen zum Abschluss zu bringen und zu sagen: ok, wir erstellen jetzt eine Präsentation. Oder man kann es gut nutzen, um eine Forschungsfrage zu generieren oder einen Überblick über bestimmte Themen zu verschaffen, aber nicht um eine gut durchdachte, komplette Arbeit zu schreiben, weil dafür der Zeitdruck zu groß ist. Dieser Zeitdruck ist aber für die Arbeit sehr förderlich, weil man nicht in die Versuchung gerät zu sagen „ja gut, es ist eine spannende Sache, aber wir haben jetzt keine Zeit dafür und wir können es wann anders machen“, sondern man hat diese intensive Zeit. Dann ist auch klar, ok, es muss nicht fertig werden am Ende, aber so viel wie möglich kann man ja machen. Ich glaube der Zeitdruck, der entsteht, ist da gut – eben mal Sachen nicht auf die lange Bank zu schieben Am Ende kommen dann für die Kürze der Zeit auch erstaunlich gute Sachen heraus.“ 

Die zweite Möglichkeit des Hackathon besteht darin, dass andere Veranstaltungen, wie etwa eine Tagung oder spezielle Unievents, als Hackathon ausgelegt werden können. Dazu gibt es auch schon Gedanken auf dem Tisch, wie Antonia Ley verrät:

„Wir überlegen momentan, solch einen Hackathon auch als eine Veranstaltung an der Uni zu implementieren, bei der wir dann gemeinsam mit Lehrenden und Studierenden gucken wollen, was es für Herausforderungen in der Lehre gibt, und wie wir diese lösen könnten. So könnten wir eine Möglichkeit bieten, dass Menschen wieder intensiver zusammenarbeiten können, was im Moment ja nicht so einfach ist.“ 

Man wird dem Format des Hackathon also früher oder später vermutlich auch an der Uni Oldenburg begegnen – ob in den physischen oder digitalen Räumen der Uni.

von Ulrich Mathias Gerr

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